Friedrich Oestreicher kam am 16. November 1885 in München als Sohn des Woll- und Fellgroßhändlers August Oestreicher und seiner Frau Louise, geborene Hofmann, zur Welt. Er absolvierte in Triest eine kaufmännische Ausbildung und führte seit 1910 das Unternehmen „H. Oestreicher & Söhne, Felle- und Lederfabrikation“ in dem ihm gehörenden Gebäude in der Klenzestraße 37. 1914 heiratete Friedrich Oestreicher Ella Dittmann und zog mit ihr in die Widenmayerstraße 36.
Im Zuge der „Kristallnacht“ am 9. November 1938 wurde Friedrich Oestreicher in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Dort wurde er am 19. November 1938 gezwungen, einen Kaufvertrag über das Haus in der Klenzestraße 37 zu unterschreiben. Seine Firma musste er auflösen. Ab 1939 bemühten sich Friedrich und Ella Oestreicher vergeblich um eine Emigration in die USA. Im Februar 1941 musste das Ehepaar seine Wohnung verlassen und in die „Pension International“ in der Kaulbachstraße 35 ziehen. Gemeinsam mit seiner Frau und etwa 1.000 anderen jüdischen Männern, Frauen und Kindern wurde Friedrich Oestreicher am 20. November 1941 vom Güterbahnhof Milbertshofen nach Kaunas in Litauen deportiert. Ursprünglich war Riga als Ziel vorgesehen, doch weil das Ghetto in Riga überfüllt war, wurde der Zug umgeleitet. Am 25. November 1941 erschoss das Einsatzkommando 3 unter SS-Standartenführer Karl Jäger Friedrich Oestreicher und die anderen aus München Verschleppten in Fort IX in Kaunas.
Auch Friedrich Oestreichers Geschwister überlebten den Holocaust nicht. Seine Schwester Berta und ihr Mann Gustav Dan Midas wurden am 4. April 1942 nach Piaski deportiert. Dort verliert sich ihre Spur. Friedrich Oestreichers Bruder Herbert wurde am 29. November 1942 nach Riga verschleppt und ermordet. Von der Familie ist nur das Grab von Friedrich Oestreichers Eltern geblieben. Sie waren bereits 1910 und 1914 gestorben. Der Grabstein auf dem Alten Israelitischen Friedhof in München wird von einer Metallplatte geschmückt. Noch heute ist zu erkennen, dass man versucht hat, die Platte gewaltsam zu entfernen. (Text Thomas Nowotny, Lektorat C. Fritsche)