Ruth Selma Wilmersdörfer kam am 4. Juni 1924 als Tochter von Siegbert Wilmersdörfer und seiner Frau Frieda Luzie, geborene Berliner, in München zur Welt. Ihr Vater betrieb einen Handel für Berufskleidung. Die Familie lebte in der Ismaninger Straße 152. Ruth besuchte das Städtische Lyzeum am St.-Anna-Platz in der St.-Anna-Straße 20, damals eine Mädchenschule.
Nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten 1933 war die Familie Wilmersdörfer von der antisemitischen Verfolgung der Jüdinnen und Juden betroffen. Spätestens 1938 durfte Ruth nicht mehr auf ihre Schule am St.-Anna-Platz gehen. Ihr Vater Siegbert Wilmersdörfer schildert in einem Schreiben vom 14. Mai 1938 an die Polizei seine Schwierigkeiten, weil er von „arischen“ Firmen nicht mehr beliefert wurde. Eine von ihm beantragte Gewerbegenehmigung wurde ihm nicht erteilt, sodass die Familie keine Existenzgrundlage mehr hatte. Im Zuge der „Kristallnacht“ am 9. November 1938 wurde Siegbert Wilmersdörfer ins KZ Dachau verschleppt und erst vier Wochen später entlassen. Im Februar 1939 versuchten Siegbert und Frieda Wilmersdörfer, Ruth mit einem Kindertransport nach Großbritannien zu schicken – vergeblich. Die Familie bemühte sich außerdem um eine Emigration in die USA, nach Shanghai und Panama, konnte aber nirgends einreisen. Im Frühjahr 1939 zwangen die Nationalsozialisten die Familie Wilmersdörfer, ihre Wohnung in der Ismaninger Straße 152 zu verlassen. Ruth und ihre Eltern wurden in „Judenwohnungen“ zunächst in der Hermann-Lingg-Straße 16 und später in der Hermann-Lingg-Straße 15 einquartiert. Am 11. November 1941 musste die Familie in die „Judensiedlung Milbertshofen“ an der Knorrstraße 148 ziehen. Ruth Wilmersdörfer, ihr Vater Siegbert und ihre Mutter Frieda gehörten zu den fast 1.000 jüdischen Männern, Frauen und Kindern, die die Gestapo am 20. November 1941 von München nach Kaunas deportierte. Dort erschossen SS-Männer des Einsatzkommandos 3 der Einsatzgruppe A am 25. November 1941 alle Verschleppten. (Text Schüler*innen des P-Seminars „Erinnerungszeichen“ am Städtischen St.-Anna-Gymnasium 2019/2021, Lektorat C. Fritsche)