Chaim (auch Cherim oder Christian) Eingelster wurde am 5. November 1879 in Vilnius im damaligen Russischen Reich geboren. Er wurde Dekorationsmaler und heiratete 1904 die verwitwete Chejne (auch Helene) Wainstein (auch Wajnstein), geborene Gelfar. Sie war am 19. November 1877 ebenfalls in Vilnius geboren worden und arbeitete als Schneiderin. Ihre Tochter Ester Lea, 1899 geboren, stammte aus ihrer ersten Ehe.
1906 ging die Familie Eingelster nach München. Chaim Eingelster wurde technischer und künstlerischer Zeichner am Deutschen Museum. Nachdem die Familie zunächst in der Münchner Innenstadt untergekommen war, zog sie am 1. April 1912 in eine Dreizimmerwohnung im ersten Obergeschoss des Forsthauses in der Fasangartenstraße 124. Ab 1939 lebte dort auch Esters Mann Jakob Paul Sondhelm.
Am 4. August 1914, nur wenige Tage nach Beginn des Ersten Weltkriegs, kündigte das Deutsche Museum Chaim Eingelster, weil er nach wie vor russischer Staatsangehöriger war. Doch die Kündigung wurde nicht vollzogen. Denn bereits ab September 1914 arbeitete Chaim Eingelster erneut für das Deutsche Museum, nun vor allem als Heimarbeiter. Nach Kriegsende war er auch offiziell wieder für das Museum tätig. 1927 wurde er sogar mit dem Silbernen Ehrenring des Museums ausgezeichnet.
Wenige Monate nach Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft verlor Chaim Eingelster im Zuge des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ am 31. Oktober 1933 seine Stelle. Zuvor war seine Frau Chejne in einer Verleumdungskampagne als „Typ der frechen, widerlichen russischen Jüdin“ bezeichnet worden. Chaim Eingelster wurde unterstellt, er sei „im russisch-japanischen Kriege nach Deutschland desertiert“, wo er „total abgerissen ankam und von den dummen und gutmütigen Deutschen aufgepäppelt wurde“. Die Museumsleitung gestand ihm nach der Entlassung ein Ruhegehalt in Höhe von 117,15 Reichsmark zu.
1940 versuchten Chaim und Chejne Eingelster nach Russland zu fliehen – ohne Erfolg. Am 4. April 1942 wurde das Ehepaar ins Ghetto Piaski deportiert. Dort verliert sich seine Spur. (Text Europäische Schule 2022, Lektorat C. Fritsche)