Julian Marcuse wurde am 1. August 1862 in Posen (heute Poznań) in eine jüdische Familie geboren. Er trat jedoch in den 1890er Jahren aus der jüdischen Glaubensgemeinschaft aus und ließ sich protestantisch taufen. Nach seinem Medizinstudium in Zürich, Breslau, Erlangen und Würzburg arbeitete er als Spezialarzt mit Schwerpunkt auf physikalischen Heilmethoden und gründete in Mannheim sogenannte „Lichtbadeinstitute“. Zwischen 1905 und 1923 war er Chefarzt der Kuranstalt Ebenhausen bei München. Julian Marcuse engagierte sich früh in der Gesundheitsreformbewegung und war Mitglied vieler Vereine und Organisationen wie dem „Münchner Verein sozialistischer Ärzte“. Besonders setzte er sich für Sexualaufklärung, Geburtenkontrolle und Mutterschutz ein – mit dem Ziel, die soziale Not in der Arbeiterklasse zu lindern. Auch politisch war Julian Marcuse aktiv: Er war Mitglied der SPD, nahm 1918 in München an der Revolution teil und war zeitweise sogar als Minister in der Münchner Räterepublik im Gespräch.
Mit seiner Frau, der aus Würzburg stammenden Maria Kolb, bekam Julian Marcuse drei Kinder: Oskar, Walter und Eva. Seit 1925 lebte er mit seiner Familie in München, ab 1932 in einem Haus der damaligen GEWOFAG (heute Münchner Wohnen) in der Pfeuferstraße 20.
Wegen seiner jüdischen Vorfahren galt Julian Marcuse in der NS-Zeit als Jude und wurde diskriminiert. Vielleicht aus diesem Grund zog er sich 1934 nach Hirnsberg im Landkreis Rosenheim zurück und lebte dort in einem kleinen Haus am Holzberg 42. 1936 starb Julian Marcuses nicht jüdische Ehefrau Maria. Ab Oktober 1938 durchsuchte die Gestapo mehrmals sein Haus in Hirnsberg. Bei einer dieser Razzien wurde ein Großteil seiner Bücher konfisziert: Laut seinem Sohn Walter war die Menge so groß, dass Waschkörbe zum Abtransport verwendet wurden. Am 20. Juli 1942 wurde Julian Marcuse von Hirnsberg nach München verschleppt. Am 29. Juli 1942 folgte die Deportation ins Ghetto Theresienstadt. Dort starb Julian Marcuse am 2. Dezember 1942 mit 80 Jahren an den katastrophalen Lebensbedingungen. Auf Initiative von Anwohnern wurde 2016 auf dem Friedhof in St. Andreas in Mauerkirchen bei Hirnsberg eine Gedenktafel für ihn angebracht. Dort war 1936 seine Ehefrau beigesetzt worden. (Text von Adrian Penzoldt und Endrit Ferrati; Lektorat C. Fritsche)