Rosa Springer kam am 4. Juni 1866 als Tochter des Kaufmanns Israel Springer und seiner Frau Babette, geborene Schwab, in München zur Welt. Sie hatte vier Geschwister: Lina, David, Max und Josef. Über Rosas Kindheit und Jugend ist nichts bekannt. Am 6. Dezember 1886 heiratete sie den Kaufmann Emanuel (Emil) Reis. Er war am 28. Februar 1857 in Buttenheim bei Bamberg geboren worden. Rosa und Emil Reis bekamen drei Kinder: Ludwig, geboren am 13. September 1887, Fritz, geboren am 12. April 1891, und Frieda, geboren am 17. August 1895. Seit 1893 lebte die Familie Reis in der Hackenstraße 4 im dritten Stock.
1935 verließen Emil und Rosa Reis die Hackenstraße 4 und zogen in die Agnesstraße 53 – unklar ist, ob aufgrund antisemitischer Verfolgungsmaßnahmen. Emil Reis starb am 29. November 1936 in München und wurde auf dem Neuen Israelitischen Friedhof in Sektion 18, Reihe 1, Platz 1 bestattet. Nach dem Tod ihres Mannes musste Rosa Reis mehrfach umziehen: im April 1937 in die Adelheidstraße 35, 1938 in die Isabellastraße 13 und im April 1941 kam sie in das Jüdische Altenheim in der Mathildenstraße 8. Im April 1942 pferchte die Gestapo die 75-Jährige in das Barackenlager an der Knorrstraße 148, die so genannte „Judensiedlung Milbertshofen“. Von dort aus deportierte die Gestapo Rosa Reis am 524. Juni 1942 in das Ghetto Theresienstadt und am 19. September 1942 weiter in das Vernichtungslager Treblinka. Dort wurde sie sofort nach Ankunft des Zuges am 21. oder 22. September 1942 ermordet. Ihr Bruder Max Springer war auf demselben Transport und erlitt das gleiche Schicksal. Der Grabstein ihres Mannes trägt eine Gedenkinschrift für Rosa Reis.
Rosa Reis’ Sohn Ludwig floh im Mai 1941 nach China, vielleicht nach Shanghai, und emigrierte von dort aus über England in die USA. Auch Fritz Reis gelang 1938 die Emigration nach New York. Die in Augsburg lebende Tochter Frieda Farnbacher wurde am 13. März 1943 mit ihrem Ehemann Fritz von München ins KZ Auschwitz deportiert und ermordet.
Rosa Reis war die Schwester meines Urgroßvaters, doch in unserer Familie gibt es kaum persönliche Erinnerungen an sie. Überliefert sind neben dem polizeilichen Kennkartenfoto zwei Gruppenporträts: eines von Rosa als Kind mit ihren Geschwistern und eines von Rosa und Emil Reis mit ihrer Familie, aufgenommen zum 70. Geburtstag von Emil. Aus Briefen und Postkarten im Fotoalbum, das ihre Enkelin Gertrud Farnbacher (später Karen Hillman) bei ihrer Emigration aus Augsburg mitgenommen hat, geht außerdem hervor, dass Rosa und Emil Reis sowie die Familie ihrer Tochter Frieda, die in Augsburg lebte, sich sehr nah standen und sich gegenseitig oft besuchten. Karen Hillman erinnerte sich später auch, dass Rosa Reis mit ihrer Schwägerin und Cousine Dorline Springer, die in München lange Zeit nur ein paar Straßen von ihr entfernt wohnte, eng befreundet war.
(Text Judit Rosenthal; Redaktion Christiane Fritsche)